Wieder gibt es ein Beispiel dafür, dass Robert Kirkman mehr macht als nur The Walking Dead. Im Comic Oblivion Song gibt es zwar keine Zombies, aber ein monstermässiges Wildleben und Drama, erschienen bei Cross Cult.
Bei einem unerklärlichen Vorfall ist vor 10 Jahren ein großes Areal von Philadelphia verschwunden, inklusive der dort lebenden Bewohner. Stattdessen befand sich in diesem Bereich ein außerirdisch anmutendes Gelände mit bedrohlichen Tieren und Monstern. Es kam heraus, dass dieser Stadtabschnitt anscheinend mit einer anderen Dimension namens Oblivion den Platz getauscht hatte und man begann Einsatztrupps zur Rettung der verschwundenen Menschen in diese andere Welt zu schicken. Inzwischen wurde die Hoffnung allerdings aufgegeben, weitere Überlebende zu finden. Nur Nathan Cole begibt sich nach Oblivion, um dort weiter seinen verschwundenen Bruder zu suchen, doch das Militär ist von seinen Unternehmungen nicht begeistert und will das Rettungsprogramm endgültig beenden.
Robert Kirkman inszeniert in Oblivion Song wieder gekonnt menschliches Drama in extremen Situationen. Im ersten Band wird die Parallelwelt Oblivion eingeführt und Nathans Suche steht im Fokus. Immer wieder „rettet“ er Menschen, die zurück in der normalen Welt unter Angstzuständen und Albträumen leiden, was nach 10 Jahren in lebensfeindlicher Umgebung auch kein Wunder ist. Andere, die kürzer dort waren, haben schon damit zu kämpfen und für diejenigen, die länger dort waren, ist die Situation umso schlimmer. Es zeigt sich mit der Zeit, dass es auch Leute in Oblivion gibt, die gar nicht mehr zurückwollen, entgegen Nathan Coles Ziel, alle dort zu retten. Er steht also zwischen dem Militär, das die Suche abbrechen möchte und denen, die drüben bleiben wollen. Und genau diese zwischenmenschlichen Konflikte, die Belastungen für Beziehungen zwischen Rückkehrern und denen, die nie Philadelphia verlassen haben, machen die Reihe so Interessant. Dafür, dass es nicht langweilig wird, sorgen die aggressiven Monster, die teilweise aus der Urzeit zu stammen scheinen und teilweise wie vergrößerte Mikroorganismen anmuten. Ich erinnere mich da an das Bärtierchen aus Star Trek Discovery, das einen ganz ähnlichen Look hatte. Man kann Nathans Wunsch verstehen, die Leute aus dieser augenscheinlichen Hölle zu befreien.
Für das richtige Bild sorgt hier Lorenzo de Felici, dessen Stil gleich wiederzuerkennen war, da er bereits an Waisen mitgearbeitet hatte. Ihm gelingt eine gute Mischung aus dem organischen, wilden Oblivion und der technischen und modernen Erdrealität. Bei den Charakteren, gibt es keine übertriebenen, glatten Schönheiten, sondern ausgemergelte und verbrauchte Gesichter, denen man das Leid direkt ansieht, allen voran Nathan Cole. Einzig die Farbgestaltung durch Annalisa Leoni will mir nicht so hundertprozentig zusagen, da sich für mich da kein durchgängiges Farbkonzept erschließt und die Seiten häufig farbstichig wirken. Für die Seite des Oblivion kann ich das eher nachvollziehen, als für die „normale“ Umgebung. Da hätte ich mir etwas natürlichere Farben gewünscht oder zumindest einen breiteren Farbraum oder zumindest einen einheitlicheren Look.
Fazit
Oblivion Song bedient mich recht gut, da mir die Thematik durchaus liegt. Dimensionssprünge, Rettungsmissionen und Monsteraction ergeben eine durchaus vielversprechende Kombination. Trotzdem bietet die Comicreihe auch noch mehr, als es zunächst scheint, da es sonst vermutlich nur für eine Miniserie reichen würde, aber es werden sich sicher noch einige interessante Dinge ergeben. Band 2 habe ich auch bereits gelesen und werde ihn bald ebenfalls vorstellen. Mit 144 Seiten für 22,- Euro hat man schon einiges zu lesen, auch wenn man den ersten Band recht zügig am Stück durchlesen kann. Damit hat Cross Cult neben The Walking Dead, dass ja kürzlich ausgelaufen ist, eine starke neue Serie von Robert Kirkman im Programm, die ihm neben Outcast sicher längerfristig Geld in die Kassen spülen wird.